Frauen am Arbeitsmarkt sind Deutschlands großes, dennoch wenig genutztes Potenzial. Mit einer Frauenerwerbsquote von 78% gehört Deutschland zu den Spitzenreitern in Europa. Doch hinter dieser beeindruckenden Zahl verbirgt sich eine Realität, die sowohl Herausforderungen als auch Chancen mit sich bringt: 48% aller 25- bis 64-jährigen Frauen arbeiten in Teilzeit.1
Viele Betriebe kämpfen mit Fach- und Arbeitskraftmangel, eine Situation, die sich durch den demografischen Wandel weiter verschärft. Gerade in kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) liegt ein enormes Potenzial, mehr Frauen den Weg zu vollzeitnahen Arbeitsmodellen und Führungspositionen zu ebnen. Um die Wettbewerbsfähigkeit zu sichern und das volle Potenzial der weiblichen Arbeitskräfte zu nutzen, ist es dringend erforderlich, Rahmenbedingungen zu schaffen, die es Frauen ermöglichen, in größerem Umfang und unter fairen Bedingungen in KMUs tätig zu sein. Um diesem Mangel entgegenzuwirken, gibt es drei wesentliche Ansätze: die Qualifizierung unqualifizierter Arbeitnehmerinnen, die Einwanderung von Fachkräften und die stärkere Integration von Frauen in den Arbeitsmarkt.
Ein bedeutendes Hindernis ist die Mehrfachbelastung erwerbstätiger Frauen. Nach wie vor übernehmen Frauen den Großteil der unbezahlten Care-Arbeit, was oft zu geringeren Gehältern, weniger beruflichen Chancen und prekärer Alterssicherung führt. Diese strukturellen Herausforderungen hemmen die volle Erwerbsintegration von Frauen und verschärfen somit den Fachkräftemangel in vielen Branchen.
Um diesen Herausforderungen und Chancen gerecht zu werden, haben wir am 07. März eine Veranstaltung durchgeführt, die sich genau diesem Thema widmete. Expert:innen, Unternehmensvertreter:innen und Interessierte kamen zusammen, um darüber zu diskutieren, wie KMU Frauen besser in den Arbeitsmarkt integrieren und dadurch den Fachkräftemangel mindern können. Unsere Veranstaltung bot wertvolle Einblicke und praxisorientierte Lösungen, die nicht nur zur Stärkung der Frauen in der Arbeitswelt beitragen, sondern auch die Wettbewerbsfähigkeit der Betriebe sichern.
In unserem eröffnenden Impulsvortrag bringt Christina Relius, Geschäftsführerin der connect people & company GmbH, humorvoll und provokant die tiefverwurzelten Stereotype über erfolgreiche Karrieremänner und Karrierefrauen ans Licht.
Christina zeigt, dass Karrieremänner oft als ehrgeizig und kompetent wahrgenommen werden, während Karrierefrauen als egozentrisch und weniger familiär gelten. Diese überholten Stereotype behindern Frauen in ihrer Karriere. Sie identifiziert vier wesentliche Hürden:
1. Stellenanzeigen: Oft auf männliche Attribute zugeschnitten.
2. Kompetenzprofile: Frauen müssen höhere Kompetenzprofile nachweisen, um als gleichwertig zu gelten.
3. Erscheinungsbild: Erwartungen an Kleidung und Verhalten, gekoppelt mit Vorurteilen über Führungsstärke.
4. Mögliche Mutterschaft: Beeinflusst Karrierechancen aufgrund befürchteter Ausfallzeiten.
Diese Hürden zeigen, dass der Arbeitsmarkt noch von traditionellen Rollenbildern geprägt ist. Doch das Bild von Partnerschaft und Familie wandelt sich: Viele Paare teilen sich heute die Aufgaben, sodass beide Partner beruflich erfolgreich sein können. Der Arbeitsmarkt muss diese Veränderungen widerspiegeln. Flexible Arbeitszeitmodelle, Home-Office und eine offene Unternehmenskultur, die Diversität und Inklusion fördert, sind wichtige Schritte, um Frauen zu unterstützen und die Hürden abzubauen.
Christinas Vortrag betont, dass wir mehr Frauen mit Karriere und weniger Karrierefrauen brauchen – Frauen, die ihre beruflichen Ziele erreichen, ohne auf starre Rollenbilder reduziert zu werden. Nur so kann das volle Potenzial der weiblichen Arbeitskräfte genutzt und der Fachkräftemangel nachhaltig gemindert werden.
In der jüngsten Veranstaltung des T-Hubs präsentierten sich zwei Unternehmen, die als familienfreundliche Arbeitgeber zertifiziert sind und bereits erste Schritte unternehmen, um Frauen in ihrer Karriere zu fördern.
Beide Unternehmen demonstrieren, wie durch gezielte Maßnahmen und ein inklusives Arbeitsumfeld die Karrierechancen von Frauen verbessert werden können. Sie setzen ein starkes Zeichen für die Unterstützung und Förderung von Frauen im Beruf und zeigen, dass familienfreundliche Arbeitsbedingungen und individuelle Förderung zentrale Faktoren für den Erfolg sind.
Stefanie Hörning, Geschäftsführerin von Bischof Heizung, stellte ihr Unternehmen vor. Als Quereinsteigerin im Handwerk leitet sie den 1966 gegründeten Familienbetrieb, der heute etwa 45 Mitarbeitende im Bereich Sanitär, Heizung und Klimabeschäftigt und sowohl private als auch öffentliche und industrielle Einrichtungen bedient. Stefanie Hörning betonte, dass Familie ein zentraler Wert in ihrem Unternehmen ist. Obwohl nur 18% der Belegschaft weiblich sind, legt Bischof Heizung großen Wert darauf, flexible Arbeitszeiten zu ermöglichen, damit alle Mitarbeitenden am Familienleben teilnehmen und Care-Arbeit gleichmäßig aufteilen können.
Fortbildung ist ein weiterer wichtiger Bestandteil des Unternehmens. Bischof Heizung unterstützt alle Mitarbeitenden in ihren individuellen Lern- und Leistungsgeschwindigkeiten und legt großen Wert auf die physische und psychische Gesundheit, indem es Möglichkeiten und Wege findet, alle Belange zu berücksichtigen. Stefanie Hörning unterstrich, dass Bischof Heizung jeden willkommen heißt und individuell fördert, um ein inklusives Arbeitsumfeld zu schaffen.
Auf der Bühne begrüßte der T-Hub auch Hannah Sandmann, Prokuristin, und Tabea Helmus, Junior-Projektleiterin und Talent Managerin, von Purplan: „Purplan kombiniert hochmodernes Engineering im Anlagenbau mit handwerklicher Perfektion und bedient die Polyurethan-, Farben-, Lack- und Kunstharzproduktion von der Planung bis zur schlüsselfertigen Übergabe.“ Mit etwa 200 Mitarbeitenden weltweit steht Purplan vor der Herausforderung, Frauen in einer männerdominierten Branche zu stärken. Ein herausragendes Beispiel ist die PURacademy, die individuelle Förderung bietet.
Tabea Helmus berichtete von ihrer persönlichen Erfahrung bei Purplan. Ursprünglich als Personaldienstleistungskauffrau ausgebildet, erhielt sie in ihrem Vorstellungsgespräch mit dem Geschäftsführer bei Purplan die Chance, Maschinenbau mit dem Schwerpunkt Energietechnik zu studieren. Heute arbeitet sie in einer Doppelfunktion und zeigt, wie Purplan durch individuelle Förderung nicht nur Karrierewege ebnet, sondern auch Frauen ermutigt, Führungspositionen zu übernehmen.
Abschließend luden wir alle Referentinnen ein, gemeinsam über die Thematik zu diskutieren. Mira König, Berufsberaterin in der Agentur für Arbeit Osnabrück, teilte dabei ihre Erfahrungen zum Wiedereinstieg von Frauen in den Beruf und hob die besonderen Herausforderungen und Chancen hervor. Die Diskussion betonte die Notwendigkeit von Individualität, Flexibilität und einem gesellschaftlichen Wandel, um Frauen und ihre Potenziale zunehmend in KMUs zu integrieren. Diese abschließenden Gedanken unterstrichen die Bedeutung kontinuierlicher Unterstützung und Anpassung, um ein inklusiveres Arbeitsumfeld zu schaffen.
1 Bertelsmann Stiftung (2024): Frauen am Arbeitsmarkt: Deutschlands großes, ungenutztes Potenzial [der ganze Artikel hier]